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Gebäudeschließungen: Welche Maßnahmen sind bei Trinkwasser-Installationen zu ergreifen?

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Bis Dezember 2020 wies das umfassende technische Regelwerk rund um die Trinkwasser-Installation eine Lücke auf – das hat die Corona-Krise noch einmal unterstrichen: Pandemiebedingt wurden viele Gebäude geschlossen, so dass Trinkwasser-Installationen zeitweise stillgelegt werden mussten. Doch es fehlte an technischen Vorgaben und Handlungsempfehlungen zur fachgerechten Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme, die auch für vorhersehbare Betriebsunterbrechungen etwa in Ferienzeiten benötigt werden. Die Expertenempfehlung VDI/DVQST EE 3810 Blatt 2.1 gibt Anwendern nun konkrete Hinweise zur Vorgehensweise – und schließt damit die Lücke.

Wenn eine Trinkwasser-Installation über einen längeren Zeitraum nicht genutzt und das kostbare Gut in den Leitungen somit nicht bewegt wird, droht eine Verkeimung des Trinkwassers. Das wird spätestens dann zum Problem, wenn die Anlage wieder in Betrieb genommen und erneut Wasser in Trinkwasserqualität benötigt wird.

Resideo Querschnitt Wasserrohr.

Abbildung 1: Wird das Trinkwasser in den Leitungen einer Trinkwasser-Installation über einen längeren Zeitraum nicht genutzt, droht eine Verkeimung des Trinkwassers.

Daher standen Installationsunternehmen immer wieder vor vielen praktischen Fragen: Wie muss mit einer Trinkwasser-Installation in einer Kindestagesstätte, die aufgrund von Ferienzeiten wochenlang stillsteht, umgegangen werden? Wie wird eine Trinkwasser-Installation bei Wohnungsleerstand fachgerecht außer Betrieb und später wieder in Betrieb genommen? Denn unabhängig von „Lockdown“-Maßnahmen etwa in Fitnesscentern, Behörden und vielen öffentlichen Einrichtungen gehören Gebäudeschließungen zum Installationsalltag: Schulen, Sporthallen und Kindergärten sind in den Ferien geschlossen – Bürobauten teilweise auch. Schwimmbäder, Campingplätze, Hotels und Veranstaltungsarenen arbeiten saisonabhängig und sind somit oftmals nicht das ganze Jahr geöffnet. Selbst Fußballstadien werden lediglich alle 14 Tage genutzt.

Neue Expertenempfehlung für Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme

Technische Anfragen rund um dieses Thema führten zu den ersten WebSeminaren und bildeten die Grundlage für die Idee zur Expertenempfehlung VDI/DVQST EE 3810 Blatt 2.1. Sie formuliert für Betreiber, Planer und Installationsunternehmen ziel- und praxisgerechte Vorgehensweisen zur fachgerechten Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme von Trinkwasser-Installationen – und ergänzt somit das bestehende technische Regelwerk. In der nächsten Überarbeitung soll sie in der Richtlinie VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3 integriert werden. Jetzt existieren konkrete Hinweise und Handlungsempfehlungen, was in Bezug auf die Trinkwasser-Installation bei einer Gebäudeschließung zu beachten ist.

Gebäudeschließung: Simulation des bestimmungsgemäßen Betriebs als Option

Lockdown, Ferien, Leerstand – aus welchem Grund auch immer ein Gebäude geschlossen wird, zunächst einmal gilt es zu beurteilen, ob die Trinkwasser-Installation tatsächlich außer Betrieb genommen werden muss oder ob eine Simulation des bestimmungsgemäßen Betriebs zu bevorzugen ist. Im Rahmen einer solchen Simulation muss der Wasseraustausch durch Entnahme an allen Entnahmestellen für kaltes Trinkwasser (PWC) und erwärmtes Trinkwasser (PWH) entsprechend gewährleistet sein. Um dabei für eine ausreichende Strömungsgeschwindigkeit zu sorgen, dürfen Gleichzeitigkeiten in der Nutzung der Entnahmestellen, die bei der Planung ursprünglich zu Grunde lagen, nicht außer Acht gelassen werden. Spülstationen, die lediglich die Leitungsanlage erfassen und die Entnahmestellen nicht berücksichtigen, sind hier nicht zielführend. Im Fall einer Simulation des bestimmungsgemäßen Betriebs müssen Zirkulationspumpen unbedingt weiter im Dauerbetrieb angesteuert werden – unabhängig davon, ob die Trinkwassererwärmungsanlage sich in Betrieb befindet oder abgeschaltet wurde. Denn nur so kann Stagnation und damit eine mögliche Vermehrung von Legionellen und andere Verkeimungen in den Leitungen unterbunden werden. Die Expertenempfehlung geht zudem darauf ein, dass der Nutzer in die geänderte Betriebsweise, wie zum Beispiel bei Änderung der Entnahmestellen oder Entnahmehäufigkeiten, genau eingewiesen werden muss. Gerade bei langen Schließungen und den dabei zu erwartenden hohen Entnahmemengen, kann es sinnvoll sein, auf eine Simulation des bestimmungsgemäßen Betriebs zu verzichten. Dies ist mit der dann anstehenden Außerbetriebnahme der Trinkwasser-Installation abzuwägen. 

Außerbetriebnahme – viel mehr als nur das Schließen der Hauptabsperreinrichtung

„Wasser abdrehen und fertig“ – so einfach ist die fachgerechte Außerbetriebnahme natürlich nicht. Wichtig ist vor allem, zentrale oder dezentrale Trinkwassererwärmer fachgerecht außer Betrieb zu nehmen. Grundsätzlich muss der Trinkwassererwärmer mit kaltem Trinkwasser (PWC) gespült werden, wenn er vorübergehend nicht in Betrieb ist. Konkret bedeutet das: Das erwärmte Trinkwasser (PWH) in den Trinkwassererwärmern wird durch kaltes Trinkwasser ersetzt. Auf diese Weise lässt sich vermeiden, dass das Wasser, besonders in Speichern, langsam auf einen Temperaturbereich abkühlt, der für Legionellen besonders günstig ist. Erst wenn das PWH vollständig gegen PWC ausgetauscht wurde, kann die Zirkulationspumpe abgeschaltet werden. Da die Außerbetriebnahme somit nicht nur aus dem Schließen einer  Leitungsabsperreinrichtung besteht, müssen Vorkehrungen getroffen werden, um Schäden zu vermeiden und zu vermindern. Das gilt insbesondere in Hinblick auf den fachgerechten Frostschutz (VDI 2069). Hierzu können der Expertenempfehlung ebenfalls wichtige Hinweise entnommen werden.

Bei einer Abwesenheit von mehr als 72 Stunden sollten bereits einzelne Teile der Trinkwasser-Installation abgesperrt werden, damit eine Verschlechterung der Trinkwasserqualität in der gesamten Installation durch retrograde Kontamination nicht zu besorgen ist. Das spielt beispielsweise eine Rolle, wenn einzelne Parteien in Mehrfamilienhäusern für einen längeren Zeitraum außer Haus sind oder wenn Wohnungen leer stehen.

 

Betriebsunterbrechung für wichtige Instandhaltung nutzen

Resideo Filter nstandhaltung.

Abbildung 2: Die Zeit der Außerbetriebnahme kann optimal für Instandhaltungsmaßnahmen genutzt werden. Denn ohne regelmäßige Instandhaltung kann z. B. selbst die beste Filtertechnik nicht für reines Trinkwasser sorgen. (Bild: Christian Strehlow, DVQST)

Eine Trinkwasser-Installation, die für die Zeit der Gebäudeschließung fachgerecht außer Betrieb genommen wurde, muss irgendwann auch wieder in Betrieb genommen werden. Im Rahmen dieser fachgerechten Wiederinbetriebnahme – oder in der Stillstandphase vorher – können wichtige Instanstandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Denn solange eine Anlage nicht in Betrieb ist, lassen sich Inspektionen, Wartungen, Instandsetzungen oder Verbesserungen nach VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3 und den jeweiligen Herstellerangaben besonders einfach und ohne Störungen der Nutzer durchführen. Nicht zu vergessen: Die Maßnahmen sind im Betriebsbuch als Teil des Anlagenbuchs (nach VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3) zu dokumentieren. Darüber hinaus können fehlende Bauteile, zum Beispiel Probeentnahmeventile, während der Betriebsunterbrechung problemlos nachgerüstet werden. Die örtliche Festlegung der Einbaustelle der Probenahmeventile erfolgt durch geeignete Personen, zum Beispiel Inhaber eines VDI 6023 Kategorie A Zertifikats. Des Weiteren können ungeeignete oder defekte Komponenten ersetzt werden. 

Wiederinbetriebnahme – je länger der Stillstand, desto umfangreichere Maßnahmen sind notwendig

Nach der Instandhaltung geht es an die tatsächliche Wiederinbetriebnahme. Welche Maßnahmen dabei genau erfolgen müssen, hängt von der Dauer der Betriebsunterbrechung ab.

  • Nach Außerbetriebnahme von maximal sieben Tagen: Hier gilt es lediglich, das Wasser an mehreren Entnahmestellen gleichzeitig mindestens fünf Minuten fließen zu lassen.
  • Nach Außerbetriebnahme bis maximal vier Wochen ist ein vollständiger Wasseraustausch durch Spülung an allen Entnahmestellen nach DVGW-Arbeitsblatt W 557 notwendig.
  • Nach Außerbetriebnahme bis sechs Monate sind zusätzlich mikrobiologische Kontrolluntersuchungen gemäß Trinkwasserverordnung sowie auf Legionellen zu empfehlen.
  • Nach Außerbetriebnahme von mehr als sechs Monaten darf die Wiederinbetriebnahme nur durch ein nach AVBWasserV in einem Installateurverzeichnis eingetragenen Installationsunternehmen (IU) vorgenommen werden. Das Wasserversorgungsunternehmen (WVU) ist zu benachrichtigen.